Erfahrungsberichte

Seit der Pandemie schwinden die Kraftreserven


28. März 2022

Ich habe eine 7-jährige Tochter mit seltenem Gendefekt, welcher eine globale Entwicklungsstörung zur Folge hat inkl. Schluckstörung, Epilepsie und Kleinwuchs. Sie hat Pflegegrad 5, sowie einen Behindertenausweis 100 aG H B und ist seit Geburt an pflegebedürftig. Aufgrund der Pandemie wird sie gerade voll zu Hause betreut und gepflegt mit teilweiser Unterstützung eines Pflegedienstes, der sonst auch die Begleitung in der Schule macht. Aufgrund der Pandemie war der Pflegedienst immer mal wieder pausiert. Die restliche Pflege übernehme ich als Mutter alleine mit Betreuung eines weiteren jüngeren Geschwisterkindes. Auch bei einfachen Infekten benötigt meine Tochter meist Sauerstoffunterstützung und sie erbricht dann vermehrt, weil ihr das Abhusten schwer fällt. Das Geschwisterkind muss leider gerade viel zurückstecken, um die Große zu schützen. Das heißt, kein Kindergartenbesuch und wenig Kontakt zu anderen Personen, vor allem Kindern.

Für Termine muss ich immer nach einer geeigneten Betreuung für beide Kinder schauen: Absprachen mit Vater, Pflegedienst, Großeltern. Aktuell versuchen wir nur die nötigsten Termine wahrzunehmen, obwohl mehrere Kontrolluntersuchungen mal wieder an der Reihe wären.

Ich bin derzeit nicht berufstätig und war davor lange selbständig tätig.

Die größten Herausforderungen mit meiner Tochter sind zum einen die Betreuungssituation, sie kann aufgrund ihrer Erkrankungen  z.B. nicht durch die Großeltern betreut werden und die langen Sondierzeiten, da sie sonst regelmäßig erbricht und aufgrund der vorhandenen Schluckstörung aspirieren kann. Außerdem ist sie oft lange wach und vorher komme ich selbst auch nicht zur Ruhe. Bei frühem Aufwachen oder Mittagsschlaf zieht sich auch die Einschlafzeit am Abend in der Nacht nach hinten. Schlafmangel und Erschöpfung sind also an der Tagesordnung.

Oft hat meine Tochter auch Unruhen mit Schreien. Man weiß dann nie genau was nicht stimmt und kann nur bestimmte Dinge zur Beruhigung probieren. Klappt das nicht muss man diese Phasen aushalten und zusehen wie sein Kind leidet, da sie nonverbal ist und nicht ausdrücken kann, wo das Problem liegt. Des weiteren hat man den ständigen Druck sie genug zu Hause zu fördern, weil die Therapien gerade pausieren.

Ansonsten ist man insgesamt im Alltag eingeschränkt, selbst bei einem Spaziergang hat man immer alles mögliche an medizinischem Equipment dabei, beim Duschen ist sie im Therapiestuhl mit im Bad, man muss immer aufpassen, dass das Geschwisterkind keine Spielsachen liegen lässt, woran sich die Große verschlucken könnte, da sie alles oral erkundet.

Momentan bin ich mit unserer aktuellen Situation recht zufrieden, mal gänzlich abgesehen von der Pandemie. Meine Tochter hat einen Pflegedienst, der uns unterstützt, sie hat alle Hilfsmittel die sie benötigt, wir haben ein Sanitätshaus, was uns mit allem was wir brauchen beliefert und ihre Kinderärztin steht uns auch telefonisch beratend zur Seite. Wir sind zu Hause mittlerweile gut mit medizinischen Geräten versorgt, um Krankenhausaufenthalte zu reduzieren, was mit Geschwisterkind definitiv eine größere Belastung ist.

Ich musste aber schon häufig um die häusliche Krankenpflege kämpfen, sogar einmal kurz vor Klage, wegen mehrerer Ablehnungen der Krankenkasse trotz Widerspruch inklusive ärztlichen Schreiben. Hier wären Erleichterungen eine große Hilfe. Mit Hilfsmitteln hatten wir bisher Glück, da vom SPZ oder Fachärzten empfohlen. Allerdings dauern hier die Genehmigungen zu lange.

Eine weitere Erleichterung wären ärztliche oder therapeutische Angebote über Videotelefonie. Zu oft hatten wir schon Termine mit ewigen Wartezeiten und Gesprächen mit Inhalt, welchen man auch über Telefon oder Videotelefonie hätte besprechen können.

Auch ein umfassendes Beratungsangebot wäre sehr schön. Es gibt so viele Sachen auf dem Markt und ich selbst hatte auch oft einfach nur Glück immer entsprechende Tipps durch Kinderkrankenpfleger/innen in der Klinik, Pflegepersonal, Therapeuten, Elterngespräche zu bekommen. Sei es zu Hilfsmitteln oder Intensivtherapien. Man wird generell wenig bis garnicht über Rechte und Möglichkeiten aufgeklärt, sondern muss sich alles selbst erarbeiten.

Lange Phasen ohne Krankenhausaufenthalte und Infekte geben mir die Hoffnung, dass der Gesundheitszustand meiner Tochter stabiler wird und jedes Lächeln von ihr macht einen einfach glücklich. Dennoch ist die Dauerbelastung schwer und seit der Pandemie schwinden die Kraftreserven.

Frau Bauer aus Hessen

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